Behinderte als Spielball der Behörden

Nach Fällen von Betretungsverboten in Behinderten-WGs schaltet sich nun Volksanwaltschaft ein.

von Ricardo Peyerl und Katharina Zach

Der Lärm war für Fabio nicht mehr aushaltbar. Pumpern und Geschrei von Mitbewohnern. Schon lange habe er darunter gelitten, berichtet seine Mama Daniela C.

Fabio ist Autist und auf dem geistigen Stand eines Fünfjährigen. Bei Konflikten kommt es manchmal zu „Impulsdurchbrüchen“. Ein erhöhtes Aggressionspotenzial hat er laut Gutachten nicht. Am Abend des 4. Aprils war es zu viel. Fabio begann zu schreien und schimpfen, so steht es im Protokoll derCaritas Behinderteneinrichtung Lanzendorf, NÖ. Der 25-Jährige stürmte aus seinem Zimmer und rempelte einen Mitbewohner um, der sich am Kopf verletzte. Die Betreuer riefen die Rettung, aber auch die Polizei und den Amtsarzt. Fabio kam für eine Nacht auf die Psychiatrie. Die Polizei verhängte ein 14-tägiges Betretungsverbot.

Doch wo soll ein Behinderter, der Betreuung braucht, hin, wenn er aus der Psychiatrie entlassen wird? Das beschäftigt nun das Landesverwaltungsgericht NÖ und die Volksanwaltschaft. Denn C. brachte eine Maßnahmenbeschwerde ein.

Autist Fabio und seine Mutter Daniela C.„Die Rechtslage orientiert sich am Sicherheitspolizeigesetz. Es wird nicht unterschieden, ob jemand aus einer Wohnung weggewiesen wird oder ob die Person nicht geschäftsfähig ist und die Tragweite der Situation nicht erfassen kann“, sagt Volksanwalt Günther Kräuter. Während bei Jugendlichen das Jugendamt eingeschaltet wird und eine Unterbringung in einem Krisenzentrum möglich ist, fehlen solche begleitenden Strukturen im Behindertenbereich. „Erste Priorität hat der Schutz von Menschen im gefährdeten Umfeld. Ausschließlich polizeiliche Präventivmaßnahmen sind aber nicht ausreichend.“ Eine Expertise des Menschenrechtsbeirates soll Lösungsansätze bringen. Derzeit ist keine Einrichtung verpflichtet, einen Weggewiesenen aufzunehmen.

Fabio ist derzeit im Spital und wird von der Caritas mobil betreut, bis er einen Platz beziehen kann. Denn nach Differenzen wurde der Vertrag mit der Caritas gekündigt. Laut der NGO gab es mehrere Zwischenfälle, bei denen Fabio Mitarbeiter und Mitbewohner verletzt und bedroht hatte. Für Cravos Anwältin Julia Kolda, ist die Causa ein Zeichen, dass die Einrichtung überfordert war. Dass hätte aber mitgeteilt werden müssen. „Hier ist ein Maßnahmenexzess passiert.“

Bei der Caritas begrüßt man, dass sich die Volksanwaltschaft eingeschaltet hat, um Klarheit zu bekommen. „Wir sind aber überzeugt, dass mit der neuen Unterkunft die beste Lösung gefunden wurde.“

Fabio ist aber nicht der einzige Betroffene: Immer wieder geht der unter Sachwalterschaft stehende F. in dem psychosozialen Betreuungszentrum in NÖ, in dem er untergebracht ist, auf andere Bewohner los. Zuletzt fügte er einem Rippenbrüche zu. Man kann F. nicht dafür verantwortlich machen, der 40-Jährige steht auf dem geistigen Niveau einen Dreijährigen. Aber auch ihn kann man wegweisen und ihm verbieten, sich seinem Opfer in einem Umkreis von 50 Metern zu nähern.

Nur: Wie soll das gehen? Ein Strafgericht hat F. die Weisung erteilt, sich stationär in einem solchen Betreuungszentrum aufzuhalten, widrigenfalls müsste man ihn in den Maßnahmenvollzug der Justiz sperren.

Einstweilige Verfügung

Der gerempelte Heimbewohner verlangte über seinen Sachwalter vom Gericht eine einstweilige Verfügung, die F. jegliche Kontaktaufnahme verwehrt. Heißt: F. muss aus dem Heim hinaus. Nur: Wohin? Die Gerichtsinstanzen waren sich uneinig, ob man mit einer Wegweisung den Beschluss eines Strafgerichts – sich in einem Heim aufzuhalten – aushebeln kann. Der Oberste Gerichtshof entschied jetzt: Man kann.

F. wurde auf die Psychiatrie verlegt. Nun trat wieder ein anderer (für Unterbringungen zuständiger) Richter auf den Plan und entschied: F. darf nicht auf der Psychiatrie angehalten werden, hier wurde quasi ein „rechtsfreier Raum“ geschaffen. Aber weil kein anderer Platz für den Patienten gefunden werden kann, bleibt F. auf der Psychiatrie.

Martin Marlovits vom Sachwalter-Verein Vertretungsnetz kritisiert: „Beide Heiminsassen im Auge zu behalten, wäre auch eine Möglichkeit gewesen. Aber weil man keine Lösung findet, sperrt man ihn einfach weg.“ Probleme löse man damit keine. Im Gegenteil: Es werde sich ein „Internierungseffekt“ einstellen, F. werde auch noch pflegebedürftig sein. „Und die Menschenrechte?“, fragt Marlovits.

Rechtliches:

Betretungsverbot

Das Sicherheitspolizeigesetz (SPG) sieht vor, dass Menschen bei denen ein gefährlicher Angriff zu befürchten ist (Gefährder), weggewiesen werden können. Das kann sowohl die eigene Wohnung sowie die unmittelbare Umgebung betreffen als auch einen Hort oder einen Kindergarten, wenn sich ein bedrohtes Kind dort befindet. Zudem kann verfügt werden, dass sich der Gefährder dieser Adresse 14 Tage lang nicht nähern darf – ein Betretungsverbot. Wird bei Gericht eine einstweilige Verfügung beantragt und erlassen, endet das Betretungsverbotnach vier Wochen. In dieser Zeit trifft das Gericht eine Entscheidung. Laut Volksanwalt wird bei einer Wegweisung nicht unterschieden, ob es sich bei dem Gefährder um einen geschäftsfähigen oder nicht geschäftsfähigen Menschen handelt.

Häufigkeit

Laut dem Fonds Soziales Wien gibt es keine konkreten Zahlen zur Häufigkeit solcher Maßnahmen im Behindertenbereich. Es soll sich um Einzelfälle handeln. Auch bei der Caritas war dies der einzige Fall in 20 Jahren.

RICARDO PEYERL
KATHARINA ZACH
 
_mg_7038
Fr. Mag.a Julia Kolda, selbstständige Anwältin

Was darf der Arbeitgeber vorschreiben?

Was darf der Arbeitgeber vorschreiben?

(Der Standard | 14 Apr 2018 | Lisa Breit)

Einem die Aufgaben von Kollegen aufbrummen, wegen Tattoos kündigen, im Urlaub anrufen – darf der Chef das?

Ein Interview mit Erwin Fuchs, selbstständiger Anwalt

Was darf der Arbeitgeber vorschreiben

 

https://derstandard.at/2000077010400/Kann-der-Chef-einen-zwingen-Aufgaben-von-Kollegen-zu-erledigen

https://derstandard.at/2000074334022/Taetowierungen-Was-duerfen-Arbeitgeber-vorschreiben

https://derstandard.at/2000067473511/Kann-der-Arbeitgeber-zum-Betriebsurlaub-zwingen

_MG_4797 1

Mag. Erwin Fuchs, selbstständiger Rechtsanwalt

 

Meet up: Data Science Salon Vol. I – GDPR and its impact on Data Science.

Meet up: Data Science Salon Vol. I – GDPR and its impact on Data Science.

Discussion with Teresa Bogensberger around a use case from a legal and technical perspective.

Wann: Montag, 23. April 2018, 18:00 – 20:00 Uhr
Wo: A1 Obere Donaustraße Building; 1020 Wien, Obere Donaustaße 29
Bild des Veranstaltungsortes

Details

Dear community,

We want to introduce a new event format to you: the Data Science Salon.

Data Science and its applications have the potential to tremendously impact our society in ways we have rarely seen in the past. Besides a lot of other things, it will lead to an automation of many aspects of our lives, aiming to improve them. Nonetheless, because of the enormity of these changes, these should be accompanied by an open and down to earth conversation about the impact on our society and the ethical aspects behind the algorithms used.

Data Science Salon is the place to have this conversation. We start with a hot topic: GDPR and its impact on our daily lives.

Next month, on May 25th the General Data Protection Regulation (GDPR) will be effective and every company operating in the EU market must be compliant with it.

Will GDPR change the way how organizations practice data science? And, if so, will these changes have a positive or negative impact on our profession in the long term?

Agenda:

10 Min: Why we care about GDPR

40 Min: Discussion around a use case from a legal and technical perspective – Moderated by: Sophie Martinetz. Powered by Teresa Bogensberger and Bernhard Ortner

15 Min: Introduction to Ethics on Data Science Algorithms. – Powered by: Christopher Kittel

About our speakers:

Attorney Dr. Teresa Bogensberger: Expert in employment law and IP law. The former partner at Eversheds Sutherland Austria and Knoetzl has many years of experience in advising Austrian and international clients in the area of employment law as well as in all matters of IP law.

Sophie Martinetz: Experienced legal entrepreneur and international corporate professional. In 2012 she founded her own company Seinfeld Professionals an innovative new law firm and Future-Law – the leading innovation and digitization platform for the legal industry in Austria.

Bernhard Ortner: Big Data enthusiast with a strong background in engineering in different areas such as finance, energy and governance. He was responsible for maintaining operational data lakes and developing proof-of-concepts for big data technologies.

Christopher Kittel: Data Scientist at Open Knowledge Maps. Christopher specializes in applying machine learning and deep learning to problems of social goods. His further research interests concern the ethics and economics of AI.

DISCLAIMER: The content shared in this event would offer a variety of perspectives on this topic, but it does in no way represent a substitution of proper guidance for the compliance of a company with this law.

webMG_8012_1024px

Dr. Teresa Bogensberger