Der Standard Gastkommentar- Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt

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Julia Kolda schreibt im Standard als Gastkommentatorin über die Möglichkeiten und Herausforderungen der langfristige Integration von Asylwerbern in den Arbeitsmarkt. Der Standard am 8./9.September 2016

IMG_56991Eine obszöne Ablenkung

Gemeinnützige Arbeit für Asylwerber ist kein Ersatz für reguläre Arbeit und lenkt deswegen von der eigentlichen Herausforderung ab:
langfristige Integration in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

Julia Kolda ist selbstständige Rechtsanwältin bei Northcote.Recht. Sie ist Expertin für Wirtschafts- und Unternehmens- sowie allgemeines Strafrecht.
Darüber hinaus engagiert sie sich als Rechtsberaterin für die Integration geflüchteter Menschen am Arbeitsmarkt.

Ablenkung 

Gemeinnützige Arbeit für Asylwerber ist kein Ersatz für reguläre Arbeit und lenkt deswegen von der eigentlichen Herausforderung ab: langfristige Integration in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

Julia Kolda

Wieder einmal gehen beim Thema Beschäftigung von Asylwerbern die Wogen hoch: Während der eine – unter Verweis auf den afghanischen Durchschnittslohn – 2,50 Euro pro Stunde für gemeinnützige Arbeit für angemessen hält, nennt ein anderer diesen Vorschlag obszön. Diese Diskussion um die Höhe der Entschädigung geht aber an der eigentlichen Problematik vorbei. Gemeinnützige Arbeit als vorübergehende Beschäftigungsmaßnahme ist durchaus sinnvoll. Eine Lösung ist das aber nicht, weil gemeinnützige Leistung eben kein adäquater Ersatz für reguläre Arbeit ist. Es gibt dafür kein reguläres Entgelt, sondern einen geringen Anerkennungsbeitrag. Dazu kommt die Komponente der Freiwilligkeit der Tätigkeit. Rechtliche Unsicherheit besteht vor allem bei der Definition: Wann gilt das Reinigen des Gehsteiges als „gemeinnützig“, und wann ist von einem regulären Arbeitsverhältnis auszugehen?

Bartensteins Erbe

Es ist kaum bekannt, dass Asyl und subsidiär Schutzberechtigte unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Für Asylwerber bestehen aktuell aber nur wenige Möglichkeiten, während des laufenden Asylverfahrens einer Beschäftigung nachzugehen. Neben gemeinnützigen Tätigkeiten und der Selbstständigkeit haben Asylwerber frühestens drei Monate nach Eröffnung des Asylverfahrens die Möglichkeit, in Österreich eine Beschäftigung anzunehmen. Dazu muss der Arbeitgeber beim AMS eine Beschäftigungsbewilligung beantragen. Aufgrund des äußerst umstrittenen sogenannten Bartenstein-Erlasses aus dem Jahr 2004 wird eine solche Bewilligung nur für Tätigkeiten als Saisonnier oder Erntehelfer erteilt. Eine gelungene Integration geflüchteter Menschen steht und fällt mit der erfolgreichen Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Gemeinnützige Leistung kann ein Einstieg sein. Entscheidend ist aber die langfristige, vollwertige Eingliederung in die Erwerbstätigkeit. Die Sozialpartner haben der Regierung bereits im April dieses Jahres einen Maßnahmenkatalog vorgeschlagen, um Asylwerbern den Arbeitsmarktzugang zu ermöglichen. Initiativen wie die Jobmesse „Chancenreich“, die erstmals im Juni dieses Jahres stattfand, wie auch eine aktuelle Umfrage von Deloitte Österreich bestätigt, dass ein Großteil der österreichischen Unternehmen bereit ist, anerkannte Flüchtlinge zu beschäftigen. Nachsatz: wenn rechtliche Unsicherheiten und bürokratischer Aufwand beseitigt werden. Aber anstatt diese – zum Großteil leicht ausräumbaren – Unsicherheiten durch Aufklärung zu beseitigen und den Arbeitsmarktzugang für Asylwerber wirklich zu öffnen, wird mit der Diskussion um die Lohnhöhe gemeinnütziger Arbeit ein Nebenschauplatz eröffnet. Eine tatsächliche Besserung der Beschäftigungssituation für Asylwerber und anerkannte Flüchtlinge zeichnet sich hingegen nicht ab.

Was Gemeinnützigkeit heißt

Auch inhaltlich ist der von der Regierung geplante Ausbau der gemeinnützigen Tätigkeiten für Asylwerber noch recht unausgegoren. Mit dem „Integrationspaket“ vom Juni hat sie einen „Leistungskatalog“ angekündigt, der genau festlegen soll, was als gemeinnützige Arbeit gilt. Die Erwähnung einer Tätigkeitin einem Katalog ist jedoch in Hinblick auf die Qualifikation der Arbeit irrelevant. Es ist unwesentlich, ob eine Verwaltungsbehörde eine Tätigkeit als „gemeinnützig“ bezeichnet und sie so aus dem Geltungsbereich des Arbeitsrechtes herausnimmt. Wird die Arbeit unselbstständig und in persönlicher Abhängigkeit, also unter Ausübung eines Weisungsrechtes, erledigt, liegt ein Arbeitsvertrag vor. Egal ob diese im Katalog steht oder nicht. Nach den Vorstellungen des österreichischen Innenministers Sobotka soll künftig gemeinnützige Arbeit im Ausmaß von 20 Wochenstunden sogar eine Voraussetzung für den Bezug der Mindestsicherung sein. Freiwillig ist das dann nicht mehr. Wenn sich die derzeitige Entwicklung weiter fortsetzt und vorrangig nur gemeinnützige Arbeit für Asylwerber vorgesehen wird, hat dies nur viele neue prekäre Arbeitsverhältnisse zur Folge und erschwert die wirkliche Integration in den „normalen“ Arbeitsmarkt. Leider entsteht derzeit der Eindruck, dass genau diese Entwicklung stattfindet. Das eigentliche Ziel müsste aber dringend eine wirkliche Integration durch Bildung und reguläre, bezahlte Arbeit sein.Alles andere wird auf lange Sicht zu großen Problemen im Zusammenleben führen. Und das kann niemand wollen.

Mag.a JULIA KOLDA, selbstständige Rechtsanwältin, ist Expertin für Wirtschafts- und Unternehmens- sowie allgemeines Strafrecht. Darüber hinaus engagiert sie sich als Rechtsberaterin für die Integration geflüchteter Menschen am Arbeitsmarkt.